"Langsamer Richter" unterliegt vor BGH
Kläger kündigt Verfassungsbeschwerde an
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Streit im eigenen Haus ist nie schön. Das dürfte man auch bei Deutschlands professionellen Streitentscheidern – der Justiz – so sehen. Manchmal passiert es aber doch. Einem Richter des Oberlandesgerichts Karlsruhe wurde im Jahr 2012 von der damaligen Gerichtspräsidentin vorgeworfen, dass er zu langsam arbeite. Die Zahl der von ihm erledigten Fälle liege seit Jahren um etwa ein Drittel unterhalb der Erledigungszahlen seiner Kollegen. Damit verstoße er gegen seine dienstlichen Pflichten. [XXX] Nun ist es so, dass Richtern aufgrund ihrer zentralen Bedeutung für den Rechtsstaat vom Grundgesetz eine besondere Stellung eingeräumt wird. "Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen." (Artikel 97 Absatz 1 Grundgesetz) Das Deutsche Richtergesetz verbietet folglich jede dienstliche Ermahnung eines Richters, die seine von der Verfassung geschützte Unabhängigkeit verletzten würde. [XXX] Seit nunmehr acht Jahren kämpft OLG-Richter Schulte-Kellinghaus vor Gericht um die Feststellung, dass ihn der Vorwurf zu geringer Erledigungszahlen in seiner richterlichen Unabhängigkeit verletze. Nach der Verfassung sei er als Richter nur dem Gesetz unterworfen. Er habe seine Arbeit also ausschließlich so auszuführen, wie es das Gesetz nach seiner freien richterlichen Überzeugung von ihm fordere. Werde er zur Bearbeitung einer größeren Zahl von Fällen gezwungen, könne er nicht mehr das Maß an Sorgfalt aufwenden, zu der ihn das Gesetz seiner Auffassung nach verpflichte. Die Erledigung von Gerichtsverfahren innerhalb akzeptabler Zeiträume habe nicht er durch schnellere Arbeit zu bewirken – sondern die Justizverwaltung durch zusätzliche Richterstellen. Vor dem Bundesgerichtshof als Dienstgericht des Bundes durchsetzen konnte sich am 12. Mai 2020 allerdings die Rechtsauffassung des beklagten Landes Baden-Württemberg – Dienstherr von Schulte-Kellinghaus: Ein sachgerecht nicht mehr bewältigbares Pensum sei dem Kläger nicht abverlangt worden. Der Leiter der Präsidialabteilung des OLG Karlsruhe, Verfahrensbevollmächtigter des Landes, glaubt, dass das Urteil des Bundesgerichtshofs den Kläger nicht daran hindern wird, Recht und Gesetz nach seiner freien richterlichen Überzeugung anzuwenden. Thomas Schulte-Kellinghaus erklärt, weshalb er nach drei verlorenen Instanzen zuversichtlich ist, dass er das Bundesverfassungsgericht mit Erfolg anrufen wird. Eines kann man dem Bundesverfassungsgericht tatsächlich nicht vorwerfen: Eine übertriebene Angst, der Politik auf die Füße zu treten. Interessant wäre eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem verfassungsrechtlichen Kern der Argumentation des "langsamen Richters" allemal.
Credits für die im Video verwendeten Fotos:
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Foto: Andreas Praefcke / Lizenz | Foto: Engelbert Reineke / Lizenz |
Foto: Guido Radig / Lizenz |